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Von der Grenze bis Qazvin

Hier stehen wir nun. Gemeinsam mit unseren neuen Freunden und Mitreisenden Patrick und Katrin vor den Toren des Iran. Das Land, vor dem in Deutschland immer gewarnt wird. Ein Land des Bösen, ein Land der Unterdrückung und der Willkür. Vor keiner anderen Grenze haben wir mehr Respekt. Unsere Aufregung kann man uns bestimmt im Gesicht ansehen. Wir treten an das erste Häuschen und blicken in die dunklen Augen eines orientalisch aussehenden Mannes. Ein nervöser Blick von uns, um dem seinen standzuhalten. Dann plötzlich ein Lächeln auf dem Mund des Mannes und unsere Ohren vernehmen den Satz: „Welcome to Iran!“.

...hier findest du alle Informationen zu den Einreisebestimmungen.

Die ganze Anspannung für die Katz. Natürlich verfliegt diese nicht so schnell, doch schon an der Grenze zum Iran fühlen wir uns willkommen, auch wenn das Prozedere etwas länger dauert. Der Iran ist das erste Land, in dem wir unser Carnet de Passages brauchen. Dies ist ein spezielles Zolldokument, das unter anderem vom ADAC ausgestellt wird und versichert, dass wir unser Auto wieder ausführen. Das Dokument heißt nicht nur mehr bürokratischer Aufwand beim Beantragen in Deutschland oder von Unterwegs aus, sondern eben auch an der iranischen Grenze. Durch Patrick haben wir Hilfe von einem ‚Schieber‘, einem Einheimischen, der dabei hilft, den Grenzübergang ohne Probleme zu meistern. Er nimmt uns alle Unterlagen ab und rennt in die unterschiedlichen Häuser, um für uns alles zu Regeln. Irgendwie schade, denn so stehen wir die ganze Zeit nur rum. Nach kurzer Zeit folgen wir einfach dem Mann und stellen fest, dass wir das alles bestimmt selbst einfach hinbekommen hätten. Gut ist jedoch, dass der Schieber uns noch eine iranische Autoversicherung direkt an der Grenze besorgt. Stolze 75 Dollar kostet diese. Während Patrick und Ich als Fahrer bei den Autos bleiben, warten Eileen und Katrin in der Passenger-Hall. Alkohol, Schweinefleisch und Sprit in den Zusatztanks sind zwar verboten, doch in George wird auf der Iranischen Grenzseite nicht mal ein Blick geworfen. Am Ende verbringen wir insgesamt 4 Stunden an beiden Seiten der Grenze, dann bekommen wir wieder ein Lächeln geschenkt und die letzte Schranke öffnet sich. Wir können es kaum glauben, wir sind tatsächlich im Iran angekommen.

Zwei Defender schlängeln sich durch das atemberaubende Tal mit Fluss, das sich hier zwischen der aserbaidschanischen und iranischen Grenze bildet und werden von der Sonne gebraten. Obwohl es inzwischen September ist, ist es hier unglaublich warm. Es geht in Richtung Westen, um dann auf die Autobahn nach Süden abzubiegen. In der ersten kleinen Stadt machen wir halt, um uns zu stärken. Wir sind gespannt auf die landestypischen Gerichte. Englisch wird hier nicht verstanden und so versuchen wir es mit einer Mischung aus Türkisch und Google Translator. Es gibt verschieden Varianten von Kabab, Fleisch am Spieß, die mit Reis serviert werden, sowie gekochtes Hühnchen in Soße, ebenfalls mit Reis drapiert. Für Eileen gibt es leider nicht viel und so bekommt sie einen Teller mit Reis und Tomaten, die hier eigentlich zum Fleisch gereicht und ebenfalls auf den Grill gelegt werden. Was mir direkt positiv auffällt: Hier wird nicht nur das Fleisch gereicht, sondern stets Zugaben wie eingelegtes Gemüse, frische Kräuter und Joghurt (oft mit Charlotten- oder Gurkengeschmack) dazugelegt. Wir lassen es uns schmecken und trinken eine Ayran, ein Joghurtgetränk mit Salz, das im Iran mit Minze getrunken wird. Die Endrechnung kann sich sehen lassen: Ganze 6 Millionen Rials kostet unser Mahl. An die Umrechnung müssen wir uns erstmal gewöhnen. Ungefähr 300.000 Rials sind hier 1 Euro. Das Essen für 4 Personen mit Getränken kostet somit 20€. Gut gestärkt geht es zurück in die Defender.

Kurz darauf wartet jedoch schon unsere nächste Herausforderung: Die Defender haben Durst. Es tut mir leid, wenn ich jetzt etwas ausschweife, aber selbst tanken im Iran ist eine Herausforderung. Wir haben schon viel über das Dieseltanken gelesen. Im Iran gibt es nur sehr wenige private Dieselfahrzeuge. Eigentlich ist der Kraftstoff für die unzähligen LKW’s. Dafür bekommen die Besitzer eine spezielle Dieselkarte, auf der ein bestimmter Kontingent an Litern ist. Wenn man als Tourist Diesel tanken möchte, muss man also die LKW-Fahrer bitten, um ein paar Liter von deren Karte zu erhalten. Mit etwas Glück haben bestimmte Tankstellen anscheinend auch eine Karte, diese Erfahrung haben wir jedoch in fünf Wochen Iran nicht gemacht.

 

Für uns geht es also zur nächsten Tankstelle und dort beginnt das muntere Verhandeln. Es braucht schon etwas Übung und Erfahrung und so will uns zunächst keiner etwas Diesel tanken. Doch Patrick ruft kurzerhand seinen Geschäftskollegen im Iran an, der über das Handy den Tankwart überzeugt. Er nimmt vom erstbesten LKW-Fahrer die Karte (der nicht sehr begeistert ist) und tankt uns die Defender randvoll. Dafür verlangt er am Ende 35.000 Rials pro Liter. Da wir noch keine Ahnung von der ganzen Umrechnerei haben, bezahlen wir brav und merken erst später, dass wir gerade mit dem Preis von 12ct pro Liter ordentlich über‘s Ohr gehauen wurden. 1 Liter Diesel kostet hier nämlich für die Trucker 1ct. Problem ist das beliebte Toman-Spiel, wie ich es später nennen werde. Um der hohen Inflationsrate etwas entgegenzuwirken (diese liegt bei sage und schreibe 200%), hat die iranische Regierung die Beschreibung Toman eingeführt, um die Verwirrung komplett zu machen. 1 Toman sind 10 Rials. Das nutzen die Trucker gerne mal aus, um den vereinbarten Preis in Rials später für nichtig zu erklären, da sie ja von Toman ausgegangen wären. Ihr versteht nur Bahnhof? Keine Sorge, wir am Anfang auch. Es beschreibt ziemlich gut die Ratlosigkeit, die man von Anfang an mit den Preisen in diesem Land hat.

Aber nun auf in unsere erste Stadt: Tabriz. Es dämmert bereits, als wir in einem öffentlichen Park ankommen. Da es Donnerstagabend ist und die Iraner am Freitag nicht arbeiten müssen, ist es schon reichlich voll hier. In jeder großen Stadt im Iran gibt es solche öffentlichen Parks, die mit vielen Grünflächen und verschiedensten Ständen ausgestattet sind. An Wochenenden wimmelt es hier nur so von Menschen. Da Reisen für Iraner unglaublich teuer ist, holen Sie dies im eigenen Land nach und nutzen jede Gelegenheit, um aus den Strukturen auszubrechen. Dies funktioniert in solchen Parks ganz gut und so wird hier jeder Zentimeter genutzt, um sein Zelt aufzuschlagen. Glücklicherweise finden wir noch einen Parkplatz und erkunden den Park zu Fuß. Schon nach den ersten Schritten fällt uns auf, dass wir beobachtet werden. Interessiert betrachten uns freundliche Augenpaare und schnell werden wir angesprochen. „Woher kommt ihr?“, „Willkommen in meinem Land“ oder „können wir gemeinsam ein Foto machen?“. Oft werden wir auch zum Tee auf der Picknickdecke eingeladen, was wir aber heute ablehnen. Wir sind geplättet von all diesen neuen Eindrücken und brauchen erst etwas Zeit für uns.

 

Wir spazieren um den schönen See, der hier angelegt ist und essen in dem pavillonartigen Restaurant zu Abend, das in der Mitte thront. Wir versuchen unser Glück mit dem Geldwechseln. Um die Sache noch komplizierter zu machen, gibt es bei den Banken einen offiziellen und viel schwächeren Umrechnungskurs (ca. 4.200 Rials = 1 Euro) während man auf der Straße und in Wechselstuben den richtigen Kurs (ca. 30.000 Rilas = 1 Euro) bekommt. Mit ‚Auf der Straße‘ sind hier so gut wie alle Geschäfte gemeint, die gerne Rials gegen Dollar tauschen. Das einzige Problem ist meist die Menge. 100 Dollar sind umgerechnet 30.000.000 Rials, eine Summe, die nur große Geschäft wechseln können. An der kleinen Süßigkeitenbude haben wir Pech, doch im Restaurant bekommen wir das Geld schließlich gewechselt. Westliche Kreditkarten funktionieren im Iran übrigens nicht, man muss im Voraus genug Dollar oder Euro abheben, da ein späteres Abheben nicht mehr möglich ist. 

 

Als wir zu George zurückkehren ist der Park rappelvoll und jeder Zentimeter ausgenutzt. Selbst unter George wurde ein Zeltende befestigt. So verbringen wir unsere erste Nacht in diesem fremdartigem Land, dicht an dicht mit unseren iranischen Nachbarn*innen.

Am nächsten Morgen sind wir früh wach. Bevor wir einfach aus dem Auto hüpfen können, müssen wir erstmal darauf achten, uns richtig anzuziehen. Auch für Touristen gilt hier eine strikte Kleidungsordnung, die das Islamische Land vorsieht. Für Eileen heißt das: die Haare müssen mit einem Tuch bedeckt sein, sowie Arme und Beine bis zu den Händen, bzw. bis zu den Knöcheln bedeckt. Auch das Gesäß muss bedeckt sein. Für mich gilt: Keine Shorts, sondern eine lange Hose. Bei den warmen Temperaturen ist das vor allem für die Frauen eine echte Zumutung. Nach einem schnellen Frühstück mit geschenkten Nüssen und Früchten unserer Nachbarn geht es wieder zurück auf die Straße. Unser Ziel ist das Kaspische Meer. Uns wurde eine Passstraße empfohlen, die direkt an der Grenze zu Aserbaidschan nach Astara verläuft und unglaublich schön sein soll. Das einzige Problem an der Sache ist nur, dass es Wochenende ist und wir scheinbar nicht die Einzigen mit der Idee sind, ans Meer zu fahren. Diese kleine Passstraße ist randvoll und so muss ich auf die harte Tour lernen, wie die Verkehrsmanieren der Iraner sind. Um es direkt vorwegzunehmen, unterirdisch. Es wird gehupt und gedrängelt. Aus den zwei vorhandenen Spuren werden schnell vier. Autos kommen uns auf der falschen Seite entgegen. Wenn wir überholen möchten, müssen wir darauf achten, nicht von einem Auto überholt zu werden, das gerade selbst überholt wird. Oft kommen wir nur im Schritttempo voran, an den engen Straßenrändern sitzen Iraner mit Decken im Staub und Picknicken. Motorradfahrer nutzen jede noch so kleine Spalte im Verkehrschaos aus, um sich durch den dichten Verkehr zu schlängeln. Als wir endlich am Meer ankommen, bin ich mit den Nerven völlig am Ende. Das war die schlimmste Autofahrt meines Lebens.

 

Auch der Strand am Meer, den wir kurze Zeit später erreichen, ist leider alles andere als einladend. Hier ist alles voll mit Autos und Müll. Leider gehen die Iraner mit Ihrem Müll genauso sorglos um, wie die Menschen in unzähligen Ländern davor. Alles wird sorglos in die schöne Natur geschmissen. Bei dem Anblick hilft nur noch eins: ein erfrischender Sprung ins Meer! Während ich in Badehose ins Wasser hüpfen darf, zieht sich Eileen eine Lange Unterhose und ein langärmliges Sport T-Shirt an, sowie ein Tuch über die Haare. „Wummm“, so fühlt sich der Schwall warmen Wassers an, der uns beim Sprung in die Fluten entgegendrückt. Erfrischung Fehlanzeige bei fast 30° Wassertemperatur. Enttäuscht verlassen wir wieder das Nass und weichen dem LKW aus, der hier zum Spaß ständig den Strand rauf und runter fährt – der Diesel kostet ja nichts.

Während Katrin und Patrick sich in einem Hotel niederlassen, schlafen wir auf dessen Parkplatz. Gemeinsam genießen wir den Abend mit einem Essen im Hotel (Juhu, Kabab! Abwechslung wird hier großgeschrieben) und anschließendem Poolspiel in der Lobby, sowie alkoholfreie Cocktails. Alkohol ist im Iran offiziell verboten, auch wenn die Bewohner ihre Mittel haben, um an alkoholische Getränke zu kommen. Schon am nächsten Tag sollen sich unsere Wege vorübergehend trennen, denn Patrick muss geschäftlich schnell nach Teheran, während wir uns einen Nationalpark am kaspischen Meer anschauen möchten, der uns empfohlen wurde.

Unfreiwillig verbringen wir noch eine Nacht auf dem Weg zum Nationalpark, denn George ist wieder durstig. An der ersten Tankstelle, die wir finden, herrscht ein LKW verbot und an den Dieselzapfsäulen somit keiner, den wir fragen könnten. Die zweite Tankstelle auf dem Weg hat keinen Diesel mehr. Also kehren wir auf einem Parkplatz ein, der wie ein Campingplatz aufgebaut ist. Diese sind oft im Iran zu finden. Es handelt sich um einen eingezäunten großen Bereich, in dem viele Bäume stehen. Es gibt auf einer Seite ein paar Zimmer und auf dem Grundstück finden sich einige Toilettenhäuschen wieder. Am Ende kostet die Nacht dort umgerechnet nur ein paar Euro. Leider ist es dort aber oft sehr laut, denn die Iraner bleiben lange wach und lieben laute Musik. Am nächsten Tag haben wir jedoch Glück an der Tankstelle und für umgerechnet 1,75€ bekommen wir 80 Liter von einem Trucker. Mit dem Diesel füllen wir auch zum ersten Mal unsere Reservekanister, bisher haben wir sie noch nicht benötigt. Zufrieden geht es nach der Tankaktion weiter.

Der Bojaq National Park liegt in der Nähe von Rascht am Kaspischen Meer und ist eine weite, grüne, ebene Fläche, die sich über einige Kilometer erstreckt. Das Besondere ist, dass sich hier die unterschiedlichsten Tiere niedergelassen haben. Von besonderen Vögeln über Kühe bis hin zu Wasserbüffeln, alles ist hier vertreten. Ganz vorne an der Wasserfront finden wir sogar Strandabschnitte, an denen wir bis auf die Tiere komplett allein ist. Wir genießen die ersten ruhigen Momente im Iran, gehen nochmal schwimmen – auch wenn das Wasser in den zwei Tagen nicht sonderlich kälter geworden ist, und staunen über die Vielzahl an Tieren, zwischen denen wir stehen.

 

Nach einer Nacht umringt von Schakalen mit ihren wunderschön disharmonischen Klängen, beobachten wir am nächsten Morgen Wasserbüffel bei ihrem Morgenbad. Würde nicht auch hier so viel Müll liegen und nicht jeder zweite Meter eine Tretmine in Form von Kuhfladen liegen, so wäre der Ort schon ziemlich perfekt.

Gut erholt sind wir wieder bereit uns in das Geschehen und die Gassen des Irans zu stürzen und so geht es für uns nach Qazvin. Es ist unsere erste Stadt im Iran mit einem historischem Zentrum. Endlich bekommen wir eine mit Mosaiken verkleidete Moschee zu Gesicht, endlich sehen wir einen traditionellen Bazaar, endlich betreten wir einen typischen Palast mit farbenfrohen Buntglasfenstern und endlich erkunden wir ein antikes Badehaus. Wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. So vieles ist neu und magisch.

Als wir zum Abschluss des Tages noch einmal durch die Gassen der alten Karawanserei schlendern, locken uns fremdartige Klänge in ein einen kleinen Laden. Mohammed spielt gerade auf einer Tar und die Melodie klingt süß und fremdartig. Als wir den Laden betreten schaut er freundlich auf. Er fragt, woher wir kommen und nachdem wir antworten, dass wir aus Deutschland kommen, beginnt er mit uns auf Deutsch zu sprechen. Er ist unglaublich freundlich und erzählt uns in sehr gutem Deutsch, dass er erst vor ein paar Monaten mit dem Deutsch lernen begonnen hat. Er wird nicht der einzige bleiben, den wir treffen, der in seiner Freizeit unsere Sprache lernt. Und es fällt immer wieder auf, wie perfekt und mit welcher Hingabe die Iraner Dinge erlernen. Mohammed zeigt uns stolz seine per Hand gefertigten Tars, ein Zupfinstrument ähnlich einer Gitarre. Anschließend spielt er uns noch verschiedenste Stücke vor und singt sogar für uns.

So spielt sich für uns ein besonderer Moment in diesem kleinen Lädchen inmitten der Karawanserei ab. Die Umgebung und die Musik lassen uns eine Gänsehaut über die Haut streichen. Nach all den Dingen, an die wir uns in diesem fremden Land gewöhnen mussten, können wir uns zum ersten Mal in die Klänge der Tar und in den Moment fallen lassen und realisieren, dass wir endlich im Iran angekommen sind. Wir können es selbst kaum fassen und sind dankbar und zugleich gespannt, was diese Land noch alles zu offenbaren hat.

gez. Alex

...hier siehst du unsere gesamte Route.


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